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Junge
Freiheit
Germany, February 18, 2005
„Die Würde des Ortes
respektieren"
Der Schriftsteller Rolf Hochhuth über
seinen Vorschlag für ein Bombenkriegsmuseum, David Irving und
Winston Churchill
Herr Hochhuth, Sie haben in einem offenen Brief
Bundeskanzler Schröder darum gebeten, die Britische Botschaft
aus der Wilhelmstraße nahe dem Brandenburger Tor in den Tiergarten
zu verlegen und in dem damit freiwerdenden Botschaftsgebäude ein
Museum für den Bombenkrieg einzurichten.
Hochhuth: Es kann nicht angehen, daß die
Wilhelmstraße Ecke Pariser Platz wegen der Botschaft ständig
abgesperrt ist. Die Wilhelmstraße ist immerhin nicht irgendeine
Straße, sondern war seit Napoleons Einzug in Berlin bis zum Zweiten
Weltkrieg sozusagen das deutsche „Whitehall", die altehrwürdige
Regierungsstraße Berlins -- auch wenn Krieg und Sozialimus von
dieser Würde städtebaulich nichts übriggelassen haben. Wenn die
Briten ein Sicherheitsproblem haben, muß man dafür natürlich
Verständnis haben. Allerdings kann man ebenso von ihnen erwarten,
daß sie die Würde dieses Ortes respektieren. Deshalb sollte die
Botschaft- umziehen. Unser jetziges Verhalten ist doch wieder mal
eine unwürdige, typisch deutsche Ergebenheitsadresse.
Churchill sagte bekanntlich: „Entweder hat man die Hunnen" -
so nannte er die Deutschen -- „an der Gurgel, oder man hat sie zu
den Füßen."
Der Vorschlag, ausgerechnet in der Britischen Botschaft ein
Bombenkriegsmuseum einzurichten, erscheint ausgesprochen provokativ.
Hochhuth: Im Imperial War Museum in
London können Sie Tausende von Fotos betrachten, die die Waffentaten
und Husarenstücke der Royal Air Force (RAF) dokumentieren. Von der
Zerstörung der Krupp-Werke in Essen über die Präzisionsangriffe auf
deutsche Talsperren bis hin zur spektakulären Versenkung des
deutschen Schlachtschiffes „Tirpitz" aus der Luft. Sie sehen dort
aber auf keinem einzigen Foto eine zerstörte deutsche Innenstadt --
als seien Städte überhaupt nicht bombardiert worden.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) reagierte auf
Ihren Vorschlag laut „Berliner Zeitung" mit den Worten: „Was Herr
Hochhuth schreibt, ist offenbar nicht ernst gemeint."
Hochhuth: Eine ziemlich schnöselhafte
Antwort.
Erwarten Sie noch eine Antwort vom Adressaten Ihres Schreibens,
dem Bundeskanzler?
Hochhuth: Nein, denn er fühlt sich wegen
meines Gedichtes „Deutschland ohne Linkspartei" gekränkt. Ich
schildere dort meine Enttäuschung über die Reaktion des Kanzlers auf
die geplatzte Fusion der Dresdner mit der Deutschen Bank. Ich
dachte, Herr Schröder sei Sozialdemokrat und erleichtert, daß nun
16.000 Banker nicht entlassen würden, die der Fusion hätten geopfert
werden sollen. Der Kanzler hatte mich zuvor aufgefordert, ihm mein
Stück „McKinsey" persönlich vorbeizubringen, zog dann aber wegen
dieses Gedichtes seine Einladung zurück.
2003 wurde der Antrag für ein nationale Gedenkstätte für die
Opfer des Bombenkriegs in Berlin und ein korrespondierendes Museum
in Dresden vom Bundestag abgelehnt.
Hochhuth: Ja, denn das Museum müßte
natürlich an die Bombenkriegsopfer aller Nationen erinneren, von Guernica
bis Bagdad. Wir Deutsche sollten mit der Initiative für eine solch
internationale Gedenkstätte mit gutem Beispiel vorangehen, da der
Bombenkrieg mit Zeppelinangriffen auf London im Ersten Weltkrieg und
der Legion Condor in Spanien von Deutschland ausgegangen ist.
Rolf Hochhuth (left) and David Irving, at the moment of
their first meeting, January 25, 1965 -- forty years ago in the
Stern magazine building, Hamburg
SEIT Jahrzehnten pflegen Sie eine gute Freundschaft mit
britischem Historiker David Irving, der als Holocaustleugner angegriffen wird.
Hochhuth: Irving ist ein fabelhafter
Pionier der Zeitgeschichte, der großartige Bücher geschrieben hat.
Ganz zweifellos ein Historiker von der Größe eines Joachim
Fest. Der Vorwurf, er sei ein Holocaustleugner, ist einfach
idiotisch! Ich bedauere sehr, daß es die Stadt Dresden nicht für
nötig befunden hat, ihn als Ehrengast zu den Feierlichkeiten am
Sonntag einzuladen, nachdem er sich -- mit nur 23 Jahren! -- mit dem
grundlegenden Buch „Der Untergang Dresdens" als erster diesem
Kapitel gewidmet und so viel für dessen Aufarbeitung getan hat.
Immerhin bezweifelt Irving die Schuld Hitlers am Holocaust.
Hochhuth: Ich will zugeben, Irving ist
wohl passiert, was so vielen großen Biographen schon passiert ist:
Er hat sich von seinem Forschungsgegenstand überwältigen lassen. Er
war eine Zeit lang tatsächlich des Wahns, zu glauben, Hitler habe
erst ein halbes Jahr nach Beginn der Vergasungen in Auschwitz davon
gehört, weil sie auf Initiative „seines Himmlers" begonnen worden
seien. Das ist natürlich dummes Zeug, aber was dann daraus gemacht
wurde, ist wirklich der Gipfel der Verleumdung.
Aber Herr Hochhuth, immerhin behauptet Irving, in Auschwitz hätte
es keine Gaskammern gegeben. Er hat flapsig formuliert, in
Gaskammern seien dort „weniger Menschen umgekommen als 1969 auf dem
Rücksitz Edward Kennedys" -- und da saß bekanntlich nur
dessen Freundin.
Hochhuth: Da hat er seiner nicht ganz
unbritischen Neigung zum schwarzen Humor auf zynische Weise freien
Lauf gelassen. Wahrscheinlich ist er wahnsinnig provoziert worden,
ehe er das gesagt hat. Als Historiker ist er ein absolut seriöser
Mann.
Seit 1993 hat Irving wegen seiner fragwürdigen Thesen in der
Bundesrepublik - wie in anderen Staaten auch -- Einreiseverbot.
Hochhuth: Das ist grotesk, immer wieder
war er bei uns zu Hause zu Besuch, wir telefonieren miteinander, ich
kenne ihn wirklich gut.
Was halten Sie dann für die Erklärung des Falles Irving?
Hochhuth: Ich kenne keinen „Fall Irving"
- sondern nur einiges, was zu seiner Verleumdung gesagt worden ist.
Es ist doch so: Irving ist Halbjude, seine Mutter war Jüdin! Ihn als
Holocaustleugner zu verleumden, ist ein Racheakt, weil er in seinen
Büchern so schaurige Wahrheiten über uns Deutsche sagt. Wer Irving
verbietet, deutsche Archive zu besuchen, will -- das tun Politiker
gern -- vor der Wahrheit über deutsche Untaten im Hitlerkrieg
verschont bleiben.
Sie haben einmal davon gesprochen: „Es gibt keine Epoche ohne
Wahn". Was haben Sie damit gemeint?
Hochhuth: Vor siebzig Jahren war die
ganze Nation unter Hitler verrückt. In meiner Heimatstadt gibt es
das Sprichwort: „Jeder ist anders albern". Damals war es der
Hitlerkult, heute ist es der Glaube, durch Massenentlassung,
Rationalisierung und Aufhebung der EU-Grenzen die Wirtschaft zu
stärken. Wie wir heute Hitler, so werden unsere Enkel später einmal
das als das Verhängnis unserer Zeit verdammen. Denken Sie nur an
eine Figur wie Josef Ackermann, der bei Höchstgewinnen
Massenentlassungen verkündet. Und jetzt liebäugelt er auch noch
damit, die Deutsche Bank an die Wall Street zu verkaufen, was für
ein amoralisches Gangstertum!
In welche politische Kategorie würden Sie den „Wahn unserer
Epoche" fassen?
Hochhuth: Ich sagte doch eben: unsere
„EU-Seligkeit". Ich bin ein Anhänger de Gaulles, ich bin für ein
Europa der Vaterländer! Warum bauen wir zum Beispiel die
Zollschranken nach Polen ab, nur damit die Leute im Ruhrgebiet
arbeitslos werden? Das ist doch der helle Wahnsinn!
Zählen Sie auch die „Political Correctnes" zu diesem Wahn?
Hochhuth: Dieses Wort würde ich nicht
verwenden.
Sondern?
Hochhuth: Es ist, wie es Karl
Jaspers in „Wohin treibt die Bundesrepublik" beschrieben hat:
„Wir sind keine Demokratie, sondern eine Akklamationsgesellschaft",
weil es unser Wahlsystem verhindert, daß wir als Volk in den
eigentlichen Schicksalsfragen auch nur das geringste mitreden
dürfen. Es ist uns lediglich erlaubt, alle vier Jahre die bestehende
Parteienoligarchie zu bestätigen.
Martin Walser meinte 1998, den Wahn unserer Zeit in der
Kollektivschuldthese -- oder wie er es genannt hat, in der
„Instrumentalisierung" und „Dauerpräsentation unserer Schande" -
ausgemacht zu haben.
Hochhuth: Ich bin ein absoluter Anhänger
der Kollektivschuldthese! In meinem neuen Stück sagt eine junge Frau
zu ihrem Liebhaber: „Warum sagst Du, wäre Karl Kraus nicht beizeiten
gestorben, hätten wir ihn umgebracht? Wir waren doch noch gar nicht
auf der Welt!" Antwort: „Wir sagen ja auch 'unsere Klassiker' und
haben sie nicht selbst geschrieben!" Ich habe noch nie einen
Deutschen getroffen, der, wenn er zu Recht über die Verbrennung
Dresden klagt, auch den Namen des „benachbarten" Dörfchens Auschwitz
nennt. Es ist eine Schande, daß wir noch immer nicht anerkennen: Die
Weltgeschichte kennt kein mit unserem Holocaust vergleichbares
Verbrechen.
Die Kollektivschuldthese ist zwar in etablierten Kreisen weit
verbreitet, aber kaum jemand gibt wie Sie offen zu, sie zu
vertreten. Warum?
Hochhuth: Im Hause der Henker spricht
man eben nicht gern vom Strick. Ich habe selbst erlebt, wie die
Juden meiner Heimatstadt deportiert worden sind. Das war doch der
Hitler nicht alleine! Dresden wäre ohne das, was in Auschwitz
geschehen ist, nicht möglich gewesen.
Dagegen sprechen die alliierten Kriegstagebücher. Dort läßt sich
nirgendwo ein Hinweis darauf finden, daß die Alliierten die
Flächenbombardements als Mittel der Strafe für die vielfachen
Verbrechen der nationalsozialistischen Herrschaft verstanden hätten.
Sie verfolgten vielmehr die Strategie des „morale bombing", die mit
Auschwitz nichts zu tun hatte.
Hochhuth: Natürlich nicht, weil die
Nazi-Propaganda dem Kernsatz folgte, alliierte Soldaten werden
allein für jüdische Interessen ins Feuer geschickt. Ein Artikel in
der Berliner Zeitung vom 13. Februar bestätigt ebenso wie
Victor Klemperers Tagebücher, daß Dresden wegen des
Bombardements seine Halbjuden nicht mehr zur Vergasung deportieren
konnte. Natürlich aber war Dresden andererseits ein kolossales
Kriegsverbrechen. Leider trifft eben zu, daß Gegner immer auch
Eigenschaften austauschen, wenn sie sich nur lange genug
gegenüberstehen. Aber: Der Mörder ist der Mann des ersten Schusses
-- und dieser Mann war Hitler!
Der Autor Jörg Friedrich zeigt aber auf, daß der britische
Bombenkrieg weniger der Logik des Krieges, sondern der Logik der in
den dreißiger Jahren entwickelten britischen Luftkriegsdoktrin
folgte.
Hochhuth: Der Eintritt Großbritanniens
in den Zweiten Weltkrieg war die humane Großtat der europäischen
Geschichte! Denn die Engländer haben völlig uneigennützig gehandelt,
um Polen freizukämpfen. Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie wären
Farmer in Wales, Australien oder Kanada und müßten einen Sohn
opfern, nur um Polen zu retten! Und nach allen Opfern, die England
gebracht hat, hat es nicht ein einziges Dorf annektiert!
Bismarck, Disraeli, de Gaulle sind Jahrhundertgestalten.
Churchill aber ist die einzigen Jahrtausendgestalt unter den
Staatsmännern des sich so nennenden „christlichen Abendlandes".
Einzigartig wie sein Gegner: Hitler, der Installateur von Auschwitz.
Das Nachkriegsschicksal Polens zeigt, daß es England mitnichten
um dessen Freiheit ging, sondern das Land nur ein Steinchen in der
Waagschale der Balance of Power war.
Hochhuth: Immerhin ist Polen unter
Stalin wiederhergestellt worden.
Als Diktatur und Vasall, inklusive Katyn, Vertreibung und
Annexionen. Zudem ließ Churchill den polnischen Exilpremier General
Wladyslaw Sikorsky, (links oben) der in London
Zuflucht gesucht hatte, als Gefallen für Stalin liquidieren.
Hochhuth: Es ist in der Tat entsetzlich,
daß Churchill seinen Gastfreund hat ermorden lassen! Aber das war
ein Akt der Staatsräson, Churchill hatte keine andere Wahl -- eine
ganz große Tragödie. Aber daß die Rote Armee das ehemals russische
Ostpolen annektieren würde, ist doch verständlich. Dafür ist Polen
auch im Westen entschädigt worden. Und bedenken Sie nur, was Hitler
annektiert hätte, hätte er gesiegt.
Ist Hitler ein akzeptabler Maßstab?
Hochhuth: Natürlich nicht, die
Westalliierten haben schließlich auch auf jede Annexion verzichtet.
Aber daß die Russen, die die Hauptlast des Krieges zu tragen hatten,
entschädigt werden mußten, ist doch nachvollziehbar.
Jörg Friedrich zitierte unlängst in der „Welt" den britischen
Militärhistoriker Basil Liddel-Hart mit dem Satz, der
alliierte Bombenkrieg sei der „Mongolensturm des Abendlandes"
gewesen. Churchill also als Dschingis Khan?
Hochhuth: Das ist idiotisch! Jörg
Friedrichs Buch ist wertlos, weil es sich nur einem einzigen Aspekt
widmet -- allein dem Bombenkrieg -, aber zu tausend anderen Aspekten
des Krieges keine Beziehung herstellt. Warum mußte England bomben?
Weil die Gefahr bestand, Stalin schlösse einen Separatfrieden mit
Hitler, da die Westmächte militärisch nicht fähig waren, vor Juni
1944 in Frankreich zu landen. Es stimmt aber, daß Dresden zu einem
Zeitpunkt vernichtet wurde, da Deutschland bereits agonierte --
ebenso später Hiroshima in Japan. Das hat in der Tat die Qualität
von Kriegsverbrechen. Vor allem bei Nagasaki -- das war wirklich
pure Vivisektion!
Dennoch wagt niemand in Deutschland, Churchill einen
Kriegsverbrecher zu nennen.
Hochhuth: Ich habe Churchill in einem
Gedicht 1968 durchaus war criminal genannt. Dennoch
überwiegen seine humanitären Verdienste, dieses Hitler-Deutschland
in die Knie gezwungen zu haben. Niemand kann doch Krieg führen, ohne
auch Kriegsverbrechen zu begehen. Der Krieg ist das Synonym für
Verbrechen, weil selbst Verteidigungskriege notwendigerweise
„ausarten". Churchill war die faszinierendste Figur -- da in zwei
Weltkriegen unser bedeutendster Gegner -- auch der deutschen
Geschichte. Als Mensch ebenso groß wie nur Bismarck -- den übrigens
Churchills Mutter in Friedrichsruh noch besucht hat. Bismarck war
aber nicht dazu bereit, Deutsche zu opfern, wie Churchill eine halbe
Millionen Engländer geopfert hat, um Europa zu befreien. Daher ist
die ganze Menschheit Churchill verpflichtet! Bismarck dagegen haben
nur wir Deutschen -- die dann von Hitler verjuxte - Größe eines
einst intakten Imperiums zu verdanken.
Moritz Schwarz
Rolf Hochhuth wurde 1941 in Eschwege geboren. Nach
der Schule absolvierte er eine Lehre als Buchhändler und arbeitete
später als Lektor. Seit Ende der fünfziger Jahre veröffentlicht er
Essays, Erzählungen und Romane und schreibt Theaterstücke. Zu
seinen bekanntesten Werken gehören „Der Stellvertreter" (1963),
„Soldaten" (1967), „Eine Liebe in Deutschland" (1978), „Wessis in
Weimar" (1992). Zuletzt erschienen: „Nietzsches Spazierstock"
(Rowohlt, 2004). Im April erscheint sein neuer Band
„Familienbande. Komödie -- Requiem" ebenfalls bei
Rowohlt.
David Irving
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